Eine funktionierende dörfliche Infra- und Kommunikationsstruktur zeichnet sich bekanntlich dadurch aus, dass neben Kirche und Lebensmittelladen mindestens drei Barbesitzer ihr gutes Auskommen mit dem Einkommen haben. Und eine gut funktionierende Bar zeichnet sich durch allerlei bemerkenswerte Details aus, die der Kirche und dem Lebensmittelladen heftig Konkurrenz machen. Eine gute Bar bietet außer Getränken und Tapas aller Art mindestens drei Spielautomaten und zwei Fernseher an, alle natürlich in Betrieb. Während die Spielautomaten frenetische Lockrufe ausstoßen, wenn maximal drei Minuten niemand sie mit Kleingeld bedient, stehen im einen Fernsehprogramm das aktuelle Fußballspiel vom F.C. Barcelona und im anderen die Besonderheiten des australischen Nashorns auf dem Programm. Ich weiß nicht, warum Sie das stört, es gibt doch für jeden etwas... kein Fremder kommt auf diese Weise in Versuchung, sich mit dürftigen Sprachkenntnissen zu blamieren, denn es hört sie sowieso niemand. Ganz im Gegenteil — hier können Sie was lernen. Die Grundgeräuschkulisse liefern sowieso die Stammgäste. Da sie sich auch bereits mit munterer Fröhlichkeit gegen die diversen laufenden Apparate durchsetzen müssen, versteht sowieso niemand sein eigenes Wort, geschweige denn das des Nachbarn. Ruhe bewahren, warten Sie nicht ab, bis Sie bemerkt werden, Sie werden nämlich nicht angesprochen. Rufen Sie keck ein „Mira!“ in den Raum und bestellen zügig Ihren Kaffee oder was auch immer für sich und den Lebensabschnittsgefährten. Sie müssen ja auch nicht immer reden. Bar kommt schließlich von „barahunda“, was soviel wie Radau bedeutet. Lassen Sie doch mal den Blick schweifen über die Menschen und Dinge in Ihrer Bar: skurrile Einheimische gibt‘s hier wie in Ostfriesland zu bewundern, und viele Kneipenbesitzer hier wie da stellen stolz die Ergebnisse ihrer Sammelleidenschaften aus: Pokale, Bierdeckel, Fliesen oder Holztäfelchen mit blöden bis saublöden Sprüchen oder 4783 Schlüsselanhänger zieren die Rückwand des Tresens, alles hochinteressant. Und wenn Sie Glück haben, können Sie den Einkauf auch gleich erledigen: Würstchen in Gläsern, Süßigkeiten, Brot, Mojo Verde selbstgemacht, Ölsardinen, die kein Katzenfutter sind aber trotzdem «MIAU» heißen, und Kekse, die niemanden diskriminieren, auch wenn sie «FILIPINOS» heißen. (Der Vorwurf der Diskriminierung entfällt, weil es diese Kekse in schwarz und weiß und cremefarben gibt). Auch manches andere Käufliche mit unterschiedlichem Verfallsdatum werden Sie als aufmerksamer Gast entdecken. Anders als in Ostfriesland allerdings laden Einheimische sie hier auch gerne einmal ein, und nach einem bis drei Gläschen Rotwein sind ihre rudimentären Sprachkenntnisse wahrscheinlich völlig versiegt. Macht nichts, das kennt man hier. Und wenn Ihnen der Müll, der locker vor den Tresen geworfen wird oder sonst irgendetwas nicht recht ist, stehen Ihnen deutlich sichtbar Beschwerdeblätter zur Verfügung. Und dass die in einem meist verschlossenen Glasschränkchen seit Jahren vergilbt ihr Dasein fristen, weil niemand sie jemals benutzt hat, ist doch eher ein gutes Zeichen, oder was denken Sie?